7. März 2020

Schüler der Russisch-Kurse 10 und 12 gestalten Gedenken an die Belagerung Leningrads

Titelbild für Beitrag: Schüler der Russisch-Kurse 10 und 12 gestalten Gedenken an die Belagerung Leningrads

Im Rahmen des Gedenkrundgangs am 75. Jahrestag der Zerstörung Dessaus am 7. März 1945 erinnerten Schülerinnen und Schüler des Liborius-Gymnasiums an die über zwei Jahre dauernde Blockade Leningrads durch deutsche Truppen von Juli 1941 bis Februar 1944.

Über 640 000 Menschen kamen zu Tode, die meisten davon wurden Opfer des Hungers ...

Der Piskarevskoe-Friedhof in St. Petersburg (Foto: 1.bp.blogspot.com)

Zur Lesung kamen Zitate aus dem Tagebuch der Mutter des russischen Komponisten Skrjabin, die mit ihren beiden Söhnen bis Februar 1942 in der Stadt ausharrte und dann erst evakuiert wurde.

Im Folgenden sind die rezitierten Texte - Übertragungen aus dem Russischen, angefertigt von Schülerinnen des Grundkurses Russisch 12 - abgedruckt. Die russischen Originaltexte wurden von Muttersprachlern aus dem Russischkurs 10 und unserer Russischlehrerin Frau Klimmasch vorgetragen.

 

Die Blockade Leningrads

Im russischen Sankt Petersburg, in den Außenbezirken der heutigen Stadt, liegt ein Friedhof. Er ist Massengrab, oder wie es auf Russisch heißt «brüderliches Grab» für die Opfer der Belagerung der Stadt Leningrad, wie Petersburg damals hieß, durch deutsche Truppen.
872 Tage dauerte diese Belagerung — die längste bekannte Belagerung einer Großstadt in der Geschichte der Menschheit. Etwa 640 000 Menschen starben in der Zeit der Belagerung — nur etwa 3% in Folge der Bombardierung und des Artilleriebeschusses der Stadt; die anderen an Hunger und durch die Unterversorgung ausgelöste Seuchen.
Hunger: 125 Gramm Brot pro Tag bekam jeder Angestellte, Rentner, jedes Kind. 250 Gramm bekamen Werktätige, Soldaten und Feuerwehrleute 300. Brot wurde aus Roggen, Hafer gemischt mit allen möglichen Abfallprodukten hergestellt. Das Brot war schwarz und schmeckte stark säuerlich.
Der Krieg, der Hunger und der Tod besuchten damals jedes Haus, jede Familie.

Aus dem Tagebuch der Mutter des russischen Komponisten Skrjabin, die bis Februar 1942 mit ihren beiden Söhnen im belagerten Leningrad war und dann mit ihnen gemeinsam evakuiert wurde.

7. August 1941
Es gibt Spione in der Stadt. Sie finden sie mal hier, mal dort. Ganz normale Leute eigentlich [..] Sogar meinen Dima wollten sie verhaften. Er ist groß, hat blonde Haare. Vor einem Geschäft habe ich ihn kurz alleingelassen. Da kommt ein Polizist und verlangt seine Papiere. Er ist aber doch erst 15 und hat noch keinen Pass. […] Wir müssen vorsichtig sein.

13. August
Die Evakuierung geht weiter, viele verschwinden. In den Geschäften gibt es jetzt immer weniger Lebensmittel zukaufen. […] Warum habe ich mich eigentlich entschieden, in der Stadt zu bleiben?

7. September
Am Morgen saß ich mit Jurik auf der Straße. Ich sah einen ehemligen Kollegen. Er redete darüber, dass er ja froh sei, dass die Deutschen schon in der Stadt seien. […] Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Es gibt viele wie ihn, die hoffen, dass die Deutschen uns retten werden. […] Wir sollten keinem mehr vertrauen.

12. September
Es gab einen Bombenangriff auf ein Krankenhaus, bei dem viele Leute getötet wurden. Es heißt, sie hätten vorsätzlich das Krankenhaus angegriffen. Auch ein zentrales Lebensmittellager soll zerstört worden sein. Dabei wurde von den Behörden gesagt, dass keine Gefahr bestehe. Die Stadt sei gegen Bombenangriffe gesichert.

12. November
Auf dem Basar gibt es jetzt tolle Sachen: Pelze, teure Mäntel – alles im Tausch gegen Brot und Butter.
15. November 1941
Der Tod herrscht in der Stadt. Leute sterben und sterben. Man sieht die Toten auf der Straße liegen, vor der Tür und keiner räumt sie fort.

7.1.1942
Heute bin ich einem alten Freund meines Mannes begegnet. Aufgrund des Hungers ist er völlig verändert. Er fragt nach dem Hund den wir mal hatten […] In Leningrad sieht man jetzt nirgendwo mehr Haustiere […]

20.1.1942
Auf meinem Heimweg beschäftigten mich Gedanken um die Schwierigkeiten, unter diesen Umständen zu überleben, der tägliche Kampf um nur ein Stück Brot. […] Am schlimmsten aber ist die Angst um mich, um Freunde und Verwandte. [-…] Und doch empfinde ich Leningrad, meine Stadt, immer noch als etwas ganz Besonderes […]

Auf dem Friedhof vor den Toren der Stadt stehen folgende Zeilen in Granit geritzt:

Никто не забыт – ничто не забыто

Здесь лежат ленинградцы.
Здесь горожане — мужчины, женщины, дети.
Рядом с ними солдаты-красноармейцы.
Всею жизнью своею
Они защищали тебя, Ленинград,
Колыбель Революции.
Их имен благородных мы здесь перечислить не сможем.
Так их много под вечной охраной гранита.
Но знай, внимающий этим камням,
Никто не забыт и ничто не забыто.

(О. Ф. Берггольц)

Niemand ist vergessen - Nichts ist vergessen

Hier liegen Bürger von Leningrad.
Hier liegen bürger - Männer, Frauen, Kinder.
Neben ihnen Soldaten der Roten Armee.
Mit ihrem ganzen Leben
haben sie dich verteidigt, Leningrad,
Wiege der Revolution.
Ihre Namen können wir hier nicht aufzählen.
So viele sind es unter der dem Schutz der Granitplatten.
Aber wisse, du, der du diese Platten betrachtest:
Niemand ist vergessen und nichts ist vergessen.

(O. F. Berggolz)

7. März 2020